Die World Design Medal für Dieter Rams
„Nur wenige Designer haben so unauslöschliche Spuren hinterlassen wie Dieter Rams.“

Von: Vitsœ

Fotos: Vitsœ

Anfang dieses Monats war das brutalistische Barbican Centre in London Schauplatz des World Design Congress 2025 und der Generalversammlung der WDO (World Design Organisation). Die vom Design Council ausgerichtete dreitägige Veranstaltung brachte eine internationale Design-Community zusammen, um das Thema „Design for Planet“ zu diskutieren: wie Design dabei helfen kann, die Klimakrise zu bewältigen.

Wie wir bei Vitsœ oft sagen: Unser Planet wird weiter bestehen. Die Frage ist vielmehr, ob wir Menschen weiterhin auf ihm überleben können. Auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen müssen wir uns fragen, wie es weitergehen soll, wenn wir alles bedenkenlos wegwerfen.

Vor fast 50 Jahren, im Jahr 1976, hielt Dieter Rams in New York seine Rede „Design by Vitsœ“, in der er einen großen Weitblick bewies. Darin bekräftigte er sein Engagement für verantwortungsbewusstes Design und wies auf die „zunehmende und irreversible Verknappung natürlicher Ressourcen“ hin. Aus der Überzeugung heraus, dass gutes Design nur aus dem Verständnis für unsere Gesellschaft entstehen kann, forderte Rams Designer – und eigentlich alle Menschen – auf, mehr Verantwortung für die Welt um sie herum zu übernehmen.

Damals sagte er: „Ich kann mir vorstellen, dass unsere heutige Situation zukünftige Generationen erschaudern lassen wird, wenn sie daran denken, wie gedankenlos wir unsere Häuser, unsere Städte und unsere Landschaft mit einem Chaos aus allerlei Gerümpel füllen.“

Auf dem diesjährigen Kongress verlieh die WDO Rams die World Design Medal. Die Auszeichnung wurde 2017 ins Leben gerufen, um außergewöhnliche Persönlichkeiten zu würdigen, die den Bereich des Industriedesigns entscheidend geprägt und einen positiven Einfluss auf die Welt ausgeübt haben. Die Medaille wird in einem öffentlichen Verfahren vergeben und wurde erst zum dritten Mal überhaupt verliehen. Rams reiht sich damit neben Hartmut Esslinger (Deutschland) und Dr. Patricia Moore (USA) in die Liste der Preisträger ein.

Der 93-jährige Rams konnte die Medaille nicht persönlich entgegennehmen, äußerte sich jedoch nach Erhalt der Auszeichnung:

„Ich möchte mich für diese Ehre bedanken, die nur selten verliehen wird und über die ich mich sehr freue. Auszeichnungen dieser Art würdigen nicht nur eine Person, sondern auch eine Haltung. Ich bin kein sogenannter ‚Star-Designer‘ und wollte auch nie einer sein. Ich halte auch den Begriff für völlig falsch. Ich möchte diese Auszeichnung daher im Namen all derer entgegennehmen, die mit mir zusammengearbeitet und sich für eine lebenswertere Umwelt eingesetzt haben.

Design ist ein Prozess, und Industriedesign ist Teamarbeit, an der viele Mitwirkende beteiligt sind. Ich hatte das Glück, mit vielen herausragenden Menschen in Kontakt zu kommen – bei Braun und bei Vitsœ, aber auch auf Konferenzen und in inspirierenden Gesprächen. Nicht zuletzt bei Veranstaltungen, die vom ICSID, dem Vorgänger der WDO, organisiert wurden. Die ICSID-Konferenz 1973 in Kyoto öffnete mir die Augen für eine historische, japanische Produktästhetik, die mir bis heute am Herzen liegt.

Ich habe den internationalen Ansatz immer sehr geschätzt. Nur durch offenen, uneingeschränkten Dialog werden wir unsere Welt sinnvoll gestalten können. Jede Form von Nationalismus erschien mir immer seltsam und falsch. Nur gemeinsam kann uns ‚großartiges‘ gelingen!

Designer müssen einen kritischen und konstruktiven Ansatz verfolgen. Sind kritische Designer dann Spielverderber? Ja, wenn es um Überkonsum, unsinniges Design und die Missachtung unserer Umwelt geht. Aber nein, wenn es um eine freudige Ernsthaftigkeit geht. Ich betone hier beide Aspekte – Freude und Ernsthaftigkeit.“

Aus Gary Hustwits Dokumentarfilm „Rams“

WDO-Präsident Thomas Garvey sagt: „Nur wenige Designer haben so unauslöschliche Spuren hinterlassen wie Dieter Rams. Sein unerschütterliches Engagement für die Integrität des Designs hat nicht nur die Objekte um uns herum geprägt, sondern auch die Werte unseres Berufsstandes. Als diesjähriger Preisträger der World Design Medal fühlt sich die WDO geehrt, sein Vermächtnis zu würdigen – ein Vermächtnis, das Designer weltweit nach wie vor herausfordert, inspiriert und fördert.“ Rams und Vitsœ wünschen sich, dass die internationale Design-Community erkennt, dass knapper werdende Ressourcen ein Umdenken verlangen – von jedem Einzelnen und von der Gesellschaft als Ganzes. Wie Rams bereits vor fast 50 Jahren sagte: „Die Zeiten des gedankenlosen Designs, das nur in Zeiten gedankenloser Produktion für gedankenlosen Konsum gedeihen kann, sind vorbei. Wir können uns keine Gedankenlosigkeit mehr leisten.“

Lesen Sie Dieters Rede „Design by Vitsœ“ aus dem Jahr 1976