Das Wesen der Bücher
Wie mit einem Bibliotheksbesuch in Kindertagen Tony Brooks Karriere im Grafikdesign begann

Worte: Vitsœ

Fotos: Anton Rodriguez

Tony Brook ist bemerkenswert gutgelaunt für einen Sonntagmorgen, wenn man bedenkt, dass er den Vorabend mit magCulture-Gründer Jeremy Leslie und einer spontan geleerten Flasche Rum verbracht hat. „Ich habe mich immer über meinen Vater lustig gemacht, wenn er nach einer Flasche Bier einen Kater hatte – heute geht es mir genauso wie ihm“, erklärt er. „Aber ich habe gefrühstückt und die Sonne scheint, also bin ich auf dem Weg der Besserung, denke ich.“

Von seiner Mutter hat er eine andere Familientradition geerbt. Schon als Kleinkind nahm sie ihn mit in die Sowerby Bridge-Bibliothek in Halifax, Großbritannien, wo er eine eigene Mitgliedskarte erhielt und die Regale erkunden durfte. „Es war ein fantastisches Geschenk für ein Kind“, sagt Tony Brook. „Ich kann mich genau daran erinnern, wie ich die Regale abgesucht und Bücher herausgezogen habe.“

„Wir gingen einmal in der Woche dorthin, und wenn wir nach Hause kamen, las sie mir die Bücher laut vor. Dank dieser Tradition konnte ich schon mit vier Jahren fließend lesen, was natürlich großartig war, aber mir auch die Schule verdarb: Alle lernten das Alphabet und ich saß da, zu Tode gelangweilt.“

Ein paar Jahre später gab Tony Brook sein Taschengeld für gebrauchte Penguin-Taschenbücher aus (damals zwei Pence das Stück). Mit einem schiefen Lächeln erinnert er sich an seinen Auswahlprozess: „Nun, die Buchrücken sahen alle gleich aus, aber die Cover waren verschieden, also gaben sie den Ausschlag. So habe ich eine ganz besondere Lesegewohnheit entwickelt – indem ich Bücher nach ihrem Einband beurteilte!“

Er wird ein wenig rot, als er erzählt, wie er seine Frau, Patricia Finegan, in London in der U-Bahn im Oxford Circus traf. Mitten im Trubel der Rush-Hour kamen sie ins Gespräch und Tony versuchte zu überspielen, dass er komplett in einem Buch versunken war.

„Ich war wirklich verlegen und machte mir Sorgen, dass sie mich für einen Langweiler halten würde“, sagt er. „Ich habe nicht nur irgendein Buch gelesen, sondern eins über Cricket!“

„Bücher waren mir immer wichtig. Ich liebe, wie sie riechen, wie sie sich anfühlen. Als ich noch keine zwei Kinder und eine Hypothek hatte, sammelte ich limitierte Auflagen und signierte Bücher. Wenn man das Wort ‘Sammlung’ benutzt, klingt es sofort nach etwas Prätentiösem und Großartigem. Ist es nicht. Meine wertvollsten – jetzt klinge ich wie eine Figur aus Herr der Ringe – sind nicht einmal zu sehen. Sie sind im Schlafzimmer, in einen Schrank gestopft. Ich schaue sie nur ein paar Mal im Jahr an, aber immer, wenn ich sie in der Hand halte, bin ich enorm zufrieden.“

„All diese Bücher, die ich besitze, sind wirklich wie eine große Familie. Der Gedanke, eines zu verlieren oder wegzugeben, ist mir ganz unbehaglich. Dazu fühle ich mich emotional viel zu sehr mit ihnen verbunden.“

Nach Jahren des Geldausgebens für billige Gegenstände, die ihnen letztlich doch teuer zu stehen kamen, entschied sich das Paar, in Möbel zu investieren. Frustriert von Stühlen, die unbequem waren und schließlich zusammenbrachen, Arbeitstischen, die nicht die richtige Höhe hatten und Rückenschmerzen verursachten, war es an der Zeit, umzudenken.

Auf seinen Eames-Stuhl zeigend, erzählt Brook stirnrunzelnd von Besuchern, für die gutes Design nur Show ist: „Ja, es gibt Leute, die in unser Studio kommen und sagen ‘oh, hier ist alles so designer-y’! Aber wir haben zu lange Geld für minderwertige Möbel rausgeschmissen, um nicht irgendwann auf den gesunden Menschenverstand zu hören.“

„Vitsœ und Eames sind nicht populär, weil sie Dinge herstellen, die schön sind (obwohl das natürlich hilft), sondern weil sie durchdacht und für die Ewigkeit gemacht sind. Wenn ich weniger ausgeben und die gleiche Qualität bekommen könnte, würde ich! Aber diese Alternative gibt es nicht.“

„Bei manchen Dingen bekommt man, was man bezahlt. So ist es auch bei uns: Unsere Bücher sind teurer als die unserer direkten Konkurrenz, und die Leute kaufen sie trotzdem. Warum? Weil sie besser recherchiert und besser gestaltet sind. Wir veröffentlichen ein Buch, wenn es fertig ist, nicht, wenn die nächste Verlagsmesse ansteht.“

Brook und Finegan haben ihre Designagentur Spin Studio vor 20 Jahren in London gegründet und arbeiten inzwischen mit Kunden in aller Welt zusammen – für Digitales und Gedrucktes. Im Jahr 2010 gründeten sie mit Adrian Shaughnessy den Verlag Unit Editions, um Bücher zu Gestaltungsthemen zu produzieren, die von Mainstream-Verlegern vernachlässigt oder ignoriert wurden. Sie sind mit ihrem Büro (und ihren Regalen) in dieser Zeit schon acht Mal umgezogen. Inzwischen arbeiten sie in einem eigens gebauten Studio im unteren Teil ihres Londoner Gartens.

Für Brook gibt es keine Debatte zwischen ‘Print’ und ‘Digital’. Er sieht den Wert beider Medien: „Pixel sind Leichtgewichte – ideal für funktionale Dinge wie Wörterbücher oder Lernhilfen“, erklärt er. „Stellen Sie sich mal vor, dass alle Dinge, die Sie online nachschlagen oder überprüfen, Ausdrucke wären. Wenn sich all das im Netz Gesehene plötzlich physisch manifestieren würde – das wäre keine bessere Welt, oder?“

„Andererseits sind Bücher fantastische Wunder der Technologie: Niemals ist ihr Akku leer. Wenn man sie fallen lässt, gehen sie nicht kaputt. Und: sie sehen gut aus und riechen gut. Aber wenn man schon einen Baum fällt, sollte man etwas Schönes daraus machen. 80 % dessen, was auf Buchmessen zu sehen ist, sollte nur in Form von Pixeln existieren.“

„Es gibt nur zwei Gründe, ein Buch zu behalten“, sagt Brook mit Blick auf seine Bibliothek. „Entweder, weil du es noch nicht gelesen hast, oder, weil du es gelesen hast und es etwas in dir berührt hat. Was die Design- und Kunstbücher betrifft – sie sollen nicht inspirieren, sondern erklären.”

„Nach all den Jahren des Sammelns von Büchern kann ich eines aus dem Regal nehmen und sagen: ‘Es sieht ungefähr so aus, und so klappt man es zusammen.’ Dieser Nutzen macht die Bücher kostbar. Jedes einzelne hat sich das Recht erworben, im Regal zu stehen – nicht in der Mülltonne zu landen, sondern gerettet und geschätzt zu werden.“