Elektro-Funk und eine Leidenschaft für Bücher
Wie Dave 1 Balance in sein nomadisches Musikerleben bringt

Worte: Leanne Cloudsdale

Fotos: Ben Grimes

„Ich habe mein Promotionsstudium abgebrochen, um in hautengen Hosen auf der Bühne herumzustolzieren“, erklärte David Macklovitch, der seit zwanzig Jahren unter dem Namen „Dave 1“ mit der gefeierten Elektro-Funk-Band Chromeo auftritt. Für jemanden, der eigentlich eine akademische Laufbahn anstrebte, ist es eine ungewöhnliche berufliche Entwicklung. Macklovitch wuchs in Montreal auf und verließ Kanada, um an der Columbia University in New York seine Doktorarbeit über französische Literatur und Literaturkritik zu schreiben, mir voller Absicht, Professor zu werden. Kurz darauf jedoch, im Jahr 2001, wurde das Hobby, das er in der High School mit seinem besten Freund Patrick Gemayel (oder P-Thugg) begonnen hatte, mehr als nur eine Wochenendbeschäftigung. Plötzlich hatte er eine erfolgreiche Musikkarriere mit ausverkauften Shows und Top-40-Hits.

Glücklicherweise ist der Spagat zwischen dem nomadischen Lebensstil eines Popstars und der Liebe zu Büchern, klassisch-modernen Möbeln und häuslichem Komfort etwas, das Macklovitch hervorragend beherrscht. Zum Interview kommt er frisch aus New York eingeflogen. Er ist erst wenige Stunden zuvor in Los Angeles gelandet, aber anstatt sich über Jetlag zu beschweren, erklärt er, wie er damit umgeht: „Ich kenne zwei Arten von Musikern. Die einen lagern ihr Hab und Gut jedes Mal ein, wenn sie auf Tournee gehen, weil sie keinen Sinn darin sehen, Geld für ein Haus zu verschwenden, wenn sie jahrelang auf Tournee sind. Sie nehmen sich einfach hier und da ein Airbnb, bleiben ein paar Monate in L.A. und gehen dann vielleicht nach London, bevor sie zurück nach Kalifornien kommen. Dann gibt es andere, die wie ich ihr Zuhause wirklich schätzen und es als einen Ort der Stabilität, Ruhe und Gelassenheit betrachten. Das Zuhause ist unser Ein und Alles - es erdet uns.

„Die materiellen Dinge, die viele Menschen mit einem so öffentlichen Beruf wie meinem verbinden, interessieren mich nicht. Klar, ich spiele damit, wie ich mich anziehe, aber ich habe keinen Führerschein, kein Auto. Ich habe auch keinen großen Flachbildfernseher oder teuren Schmuck, weil das nicht mein Ding ist. Verstehen Sie mich nicht falsch – ich lebe nicht in einem Fass (wie Diogenes), aber Zuhause bedeutet für mich eine Art Zufluchtsort und ein Ort, an dem ich mich konzentrieren, auftanken und mich wie in einem Kokon fühlen kann.“

Seit mehr als einem Jahrzehnt bewegt sich Macklovitch wie ein Pingpongball über die USA: er ist in zwölf Jahren sieben Mal zwischen New York und Los Angeles hin- und hergezogen. Bei jedem Umzug hat seine umfangreiche Büchersammlung Vorrang vor allem anderen Besitz. Sie sind das Erste, was er auspackt, und das Ritual, sie neu zu ordnen, beginnt immer mit der Neuanordnung seines bewährten 606 Regalsystems. Lächelnd sagt er: „Die Bücher sind wirklich das Schwerste, was ich besitze. Ich habe schon aufgehört zu zählen, wie oft ich sie herumgeschleppt habe. In der letzten Wohnung, die wir in New York hatten, hat meine Verlobte sie nach Farben geordnet. Ich habe das nur widerwillig akzeptiert, weil es zwar hübsch aussah, aber so unpraktisch war! Ich klammere mich an Organisationsprinzipien, weil ich von Natur aus ein ängstlicher Mensch bin. Systeme vermitteln einem das Gefühl von Kontrolle. Ich kann nicht kontrollieren, was aus der Musikindustrie wird, aber ich kann definitiv kontrollieren, wie organisiert meine Büchersammlung ist.“

Seine Liebe zu gutem Design stammt aus seiner Kindheit. Beide Eltern studierten Literatur und förderten sein Interesse an Architektur, Typografie, Mode, Fotografie und bildender Kunst. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, lernte aber früh, schöne Dinge zu schätzen und sie nicht als selbstverständlich zu betrachten. Mit einem Lächeln stellt er fest: „Es gab keine Familienerbstücke. Keine antike Uhr, die ich von meinem Vater geerbt habe. Ich erinnere mich aber daran, dass ich von meinem marokkanischen Großvater zu meiner Bar-Mizwa diesen furchtbaren leuchtend orangefarbenen Rasierapparat bekommen habe – und ihn nie benutzt habe. Jetzt weiß ich natürlich, dass er von Dieter Rams entworfen wurde, ein Meilenstein der Moderne. Wir erkennen nicht immer, was gut ist im Leben. Innovation und radikales Denken brauchen oft etwas Abstand, vor allem, wenn es um Design geht. Das Schöne an Dingen, die eine lange Lebensdauer haben, ist, dass wir sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unserem Leben jeweils anders genießen können.“

Als sein Bruder ihn bei einem Renovierungsprojekt um Hilfe bat, standen Terrazzoböden ganz oben auf der Liste von Davids Vorschlägen für die Inneneinrichtung. Diese unverwüstlichen Bodenbeläge, die in Institutionen, Supermärkten und Schulen auf der ganzen Welt verbreitet sind, erinnern ihn auf eine nostalgische Art an die Vergangenheit. Lachend erinnert er sich an Familienbesuche und erklärt: „Terrazzo war beliebt in den nobleren Wohnungen, wo die Eltern meines Vaters lebten, aber es kam mir damals schon passé vor. Obwohl schick, war es in den 1990er Jahren, als ich Kind war, nicht mehr zeitgemäß und erinnerte mich an die Schule. Natürlich ändern sich solche Assoziationen mit der Zeit, und 24 Jahre später gehören Terrazzoböden zu meinen Lieblings-Designelementen.

„Mit der Musik ist es genau dasselbe. Ich erinnere mich an ein Interview mit einem britischen Musikmagazin im Jahr 2003. Der Journalist fragte mich nach meinen musikalischen Vorbildern und erwartete wohl, dass ich Brian Eno oder Kraftwerk nenne – aber ich sagte: ‚Unentschieden zwischen John Oates und Phil Collins.’ Er dachte, ich wollte ihn veräppeln oder einfach nur provozieren und legte den Hörer auf. Dabei sollte er doch wissen, dass ‚Easy Lover’ auf jeder Hochzeit und Bar-Mizwa der Welt gespielt wird. Nicht mal Roxy Music ist so beliebt. Unsere Bezugspunkte bei Chromeo sind Cameo, Rick James und Shalamar, was einige Leute geschmacklos und kitschig finden. Wir wurden verspottet und verhöhnt, aber das war mir ehrlich gesagt egal. Als Akademiker wusste ich, dass die Leute es irgendwann verstehen würden, wenn wir nur lange genug dranblieben. Das Schöne ist, dass man im Nachhinein mit der richtigen Interpretationsbrille zurückblicken kann. Ich wusste, dass unser Musikgenre etwas ganz tiefsitzendes berührt und irgendwann wieder in Mode kommen würde – und siehe da, so ist es auch passiert.“