Wildnis, Wirken und Wohlbefinden
Von London ins ländliche Somerset, mit Studio Levien

Worte: Jane Audas

Fotos: Vitsœ

Ländliche Idyllen existieren in unseren Träumen, jedoch selten in der Realität. Aber für Robin Levien und Patricia Stainton, Gründer des Produktdesignstudios Studio Levien, ist ein gepflegtes Stück Land in Brewham, in der Nähe von Bruton im englischen Somerset, genau so ein Ort. Im Laufe der Jahre haben sich die beiden nach und nach aus London zurückgezogen und leben und arbeiten nun dauerhaft in Brewham. Sie haben das Haupthaus und die Nebengebäude umgestaltet und mit neuem Leben gefüllt. Für Robin bedeutet dies ein Studio und Werkstatträume. Für Patricia sind es ihr Büro, ihr Garten und ihre Gewächshäuser. Die Pandemie besiegelte den Umzug, oder war vielleicht sogar der Anlass. Patricia hatte sich schon vorher dort niedergelassen. Aber Robin, der bis in die Knochen ein Londoner ist, hatte lange ein Standbein in beiden Orten behalten, was endlose Pendelstrecken zur Folge hatte. Jetzt ist die Entscheidung gefallen.

Das Paar gründete Studio Levien, in dem hauptsächlich Keramik für den häuslichen und Industriegebrauch produziert wird, im Jahr 1999. Über die Jahre haben sie viele der Geschirr- und Sanitärprodukte hergestellt, die wir jeden Tag benutzen. Man könnte sagen, dass sie Produkte „für beide Enden des Verdauungskanals“ entwerfen. Zu ihren Projekten gehören Besteck für Guzzini und Teekannen und Geschirr für John Lewis. Die Entwürfe von Studio Levien waren schon immer eher schlicht, egal ob es sich um Toiletten, Waschbecken oder Untertassen handelt. Überflüssige Details sind Tabu. Farben werden sparsam (fast schon widerwillig) eingesetzt und müssen sich ihren Platz erst verdienen. Muster gibt es so gut wie gar nicht mehr.

Robins großes Studio in der Scheune auf dem Gelände in Brewham wurde 2017 gebaut. Es ist schön und luftig, mit einem Schrägdach (das den anderen Nebengebäuden nachempfunden ist) und Wänden mit vertikalen Holzverkleidungen. Entworfen von Thread Architects und gebaut von Paul Stephens hat es eine ruhige Präsenz in der Landschaft und strahlt auf eine attraktive Art Zweckmäßigkeit aus. Paul Stephens hat an vielen der Umbauten vor Ort mitgewirkt. Er weiß, sagt Patricia, wie wichtig ihr Details sind. In der einen Hälfte des Studios befinden sich ein Tisch für Meetings, ein Badezimmer und eine kleine Küche, wo der Kaffee in den Thomas Trend Tassen von Studio Levien serviert wird. Die andere Hälfte des Raums ist Robins Büro, wo er viel Zeit verbringt und oft ab 8 Uhr morgens in Zoom-Meetings sitzt. Die beiden Raumhälften werden visuell von einem teils freistehenden, teils wandmontierten 606 zusammengehalten. Es machte den Umzug vom Londoner Studio und beherbergt nun Entwürfe und Modelle aus dem Archiv des Studio Levien, sowie auch neuere 3D-gedruckte Prototypen. Der gesamte einstöckige Raum gleicht einer funktionalen Galerie – ein Archiv und gleichzeitig ein Arbeitsraum.

Patricia, die noch immer Geschäftsführerin von Studio Levien ist, hat heutzutage nicht mehr viel mit Design zu tun. Sie interessiert sich mehr für Natur und hat gerade eine Website namens „Forest of Selwood“ ins Leben gerufen, die sich für die Bewahrung der Bäume, Flüsse und Wiesen des alten Waldes von Selwood, in dem sie und Robin leben, einsetzt. Der Wald war schon im Jahr 878 da, als König Alfred (der Große, wie ihn seine Freunde nannten) und seine Männer dort Zuflucht suchten bevor sie ihre Rüstungen anlegten und in die Schlacht von Ethandune zogen. Ihre Ausbildung machte Patricia als bildende Künstlerin, und der Umzug nach Brewham gab ihr die Gelegenheit, in einem anderen Medium mit Farbe und Form zu arbeiten: sie hat die wunderbaren Gärten entworfen, die das Haus umgeben und ist für ihren Gartenstil bekannt geworden. Als wir sie besuchten, waren ihre Gärten gerade wieder einmal in der Zeitschrift Gardens Illustrated präsentiert worden. Einer ihrer vielen Lieblingsplätze: „Im Schaukelsitz vor dem Haus zu sitzen, während ich zum Bach hinaufblicke und den Libellen zuschaue, wie sie auf und ab fliegen. Im Schatten einer meiner Lieblingspflanzen, Elaeagnus Quicksilver, einem sommergrünen Strauch mit attraktiven silbrigen, weidenähnlichen Blättern, der im Sommer Büschel von unscheinbaren aber stark duftenden gelben Blüten trägt.“

Die Landschaft (insgesamt 40 Hektar) war es, die Patricia und Robin zuerst ins Auge fiel. Dann die vielen nützlichen Nebengebäude. Sie wurden eins nach dem anderen komplett restauriert und umgebaut, wobei so viel wie möglich von der ursprünglichen Struktur erhalten blieb. Jetzt gibt es eine Werkstatt speziell für die interessanten Geräte des Design-Handwerks. In einem weiteren Gebäude organisiert Patricia Naturclubs und Workshops, in denen Kinder lernen wie man Vogelboxen baut und Erwachsene, wie man Wildwiesen anlegt. Es gibt einen großen Gemüsegarten, Gewächshäuser und eine Apfelweinplantage – gut geschützt vor Rehen und wilden Tieren, die die Äpfel sonst gerne probieren würden. Das Haupthaus stammt aus dem 16. Jahrhundert. Die Balken und niedrigen Decken machen es heimelig und gemütlich. Wie nicht anders zu erwarten gibt es eine Kommode voller Keramiken. An der Rückseite wurde das Haus erweitert, so dass der Wohnbereich nun in den Garten hineinragt – genau so, wie man es sich wünschen würde, wenn man dort lebte.

Patricia und Robin lernten sich vor fast 50 Jahren in der Ralf West Halls of Residence kennen, einem Wohnheim für Studenten aus allen Londoner Kunsthochschulen. Robin besuchte einen Keramikkurs an der Central School of Art and Design und Patricia studierte Grafikdesign am London College of Printing. Schließlich wechselten beide an das Royal College of Art, wo Robin Keramik und Patricia Druckgrafik studierte. Es war dort, erinnert sich Robin, dass ein Seminar mit dem Keramiker Hans Coper ihm einen neuen Weg eröffnete. Obwohl er bis dahin Kunstwerke aus Keramik hergestellt hatte, sagte Coper ihm: „Du solltest Designer werden.“ Und so wurde Robin „klar, was ich tun musste.“ Nach seinem Abschluss im Jahr 1976 arbeitete er zwei Jahrzehnte lang mit seinem Ex-Professor David Queensberry zusammen und wurde später Seniorpartner von Queensberry Hunt Levien. Dann, im Jahr 1999 gründete er zusammen mit Patricia das Studio Levien.

Im Haupthaus hängen einige von Patricias Kunstwerken: große Zeichnungen und Ölgemälde, sehr detailliert, mit Motiven aus der Natur. Obwohl Patricia in der Anfangszeit viel für das Studio getan hat, hat die Natur sie seit ihrem Umzug nach Somerset ganz in ihren Bann gezogen. Sie ist aktiv im Somerset Wildlife Trust, dessen Vorstandsvorsitzende sie ist, gärtnert selbst und gestaltet Gärten. Nachdem sie einige Jahre lang Gärten für andere Menschen entworfen hat, interessiert sie sich nun mehr für die Erhaltung und Regeneration der Landschaft – oder das „Rewilding“, wie es heute genannt wird. Es ist eine langsame Bewegung, am besten geeignet für Menschen, die die nötige Geduld haben, sich um die Zukunft der Landschaft zu sorgen.

Das Zuhause in dieser Ecke der Welt ist also ganz dem Gestalten, Herstellen und Wachsen von Dingen gewidmet. Robin ist immer noch so zufrieden damit, Keramiken zu entwerfen, wie er es schon im Alter von 15 Jahren war. Patricia ist rastloser und probiert gerne verschiedene Sachen aus. Es ist sicher kein Zufall, dass sie sich zu Pflanzen und zu wachsenden Dingen hingezogen fühlt – zu ständiger Erneuerung und Veränderung. Das Paar benutzt jeden Zentimeter ihres Zuhauses und Grundstücks; sie haben experimentelle Heizsysteme und neue 3D-Drucker installiert, drei neue Seen ausgegraben und brauen ihren eigenen Apfelwein. Ein Altersheim ist es ganz sicher nicht. Trotzdem: wenn sie innehalten und eine Pause machen um die Aussicht zu bewundern, wird es ihnen nie an gut gestalteten Tassen fehlen, aus denen sie ihren Tee trinken können.